Zuflucht nehmen – Zeina Abirached & Mathias Énard

Sonntag, Juni 14, 2020

Graphic Novel Liebe Flucht Migration Krieg Leseempfehlung Kurzmeinung:

Zuflucht nehmen von Zeina Abirached und Mathias Énard ist eine schöne Graphic Novel in einem einfachen, klaren Schwarz-Weiß-Stil. Sie erzählt zwei Geschichten über die Liebe auf zwei verschiedenen Kontinenten und zwei verschiedenen Zeitebenen. 

Klappentext:

Afghanistan, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. In einer sternenklaren Nacht, zu Füßen der Buddha-Statuen von Bamiyan, verliebt sich die Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach in eine Archäologin. Es ist die Nacht, in der Deutschland Polen überfällt und die Welt für Jahre in Chaos versinkt.

Berlin, 2016: Karsten, der sich für die Sprachen und Kulturen des Nahen Ostens begeistert, trifft in Berlin auf Nayla, eine syrische Geflüchtete, die sich mehr schlecht als recht durch Alltag und Behördenwirrwarr ihrer neuen Wahlheimat manövriert. Die beiden kommen sich näher, eine zarte Liebe entsteht.

Anhand dieser beiden ungewöhnlichen, in sich verschachtelten Liebesgeschichten erzählen der Schriftsteller Mathias Énard und die Comicautorin Zeina Abirached, wie schwierig es ist, die Grenzen im Kopf und zwischen den Menschen aufzulösen und zu vereinen, was Tradition und Geschichte getrennt haben. Und sie erzählen von der Herausforderung, zu lieben und sich zu öffnen, ob gestern oder heute, ob in Kabul oder in Berlin.


Meine Meinung:

In diesem wunderschönen Comic werden zwei Geschichte zu zwei verschiedenen Zeitpunkten erzählt.
Zunächst haben wir den Handlungsstrang im Jahr 2016 um Karsten und Nyla. Karsten ist Architekt und Nyla ist eine aus Syrien geflüchtete Ingenieurin. Die beiden lernen sich in Berlin kennen und es entspinnt sich eine zarte Liebesgeschichte. Die beiden überwinden Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede. Sie geben einander Einblicke in ihre persönliche und kulturelle Geschichte. Doch die Umstände und die Unterschiede stellen die frische Beziehung auf eine harte Probe. 
In einzelnen Episoden bekommen wir Einblicke in die Entwicklung der Beziehung. Von der ersten Annährung über Dates und das gegenseitige Kennenlernen. Das zu verfolgen hat mir gut gefallen und beide Personen werden gut eingeführt und ich habe beim Lesen ein Gefühl für sie bekommen.

Dann gibt es noch den zweiten Handlungsstrang, der in Afghanistan kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs spielt. Auch hier wird der Beginn einer zarten Liebesgeschichte erzählt. Die Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach trifft die Archäologin Ria Hackin und sie fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Der Beginn dieser aufregenden Liebe fällt zusammen mit dem Beginn des zweiten Weltkriegs, den die beiden Frauen über das Radio verfolgen. Das wirkt allerdings sehr fern in der idyllisch gezeichneten, sternenklaren Nacht in Afghanistan. 
Zu diesem Handlungsstrang habe ich etwas schwerer einen Zugang gefunden, da die beiden Personen nicht so gut eingeführt werden und ähnlich gezeichnet sind. Manchmal hatte ich Schwierigkeiten, die Personen richtig zuzuordnen oder zu verstehen, was dort gerade passiert.

Graphic Novel Liebe Flucht Migration Krieg Leseempfehlung Zeichenstil


Der Zeichenstil des Comics hat mir gut gefallen. Er ist ganz schlicht in schwarz-weiß gehalten. Auch sonst ist es eher schlicht, mit wenig Details und eher breiten strichen. Ein bisschen hat es mich an den Stil von Persepolis erinnert. Die Bilder sind teilweise richtig schön groß und erstrecken sich über eine ganze, manchmal sogar über die Doppelseite.
Das Lettering fand ich auch gelungen. Ich hatte keine Probleme beim Lesen.  

Insgesamt mochte ich den Comic sehr. Er gibt Einblick in die Leben mehrerer Personen in unterschiedlichen Ländern zu verschiedenen Zeiten. Für eine tiefe Auseinandersetzung mit den angerissenen Themen wie Flucht, Migration, Integration, interkulturelle Beziehungen oder homosexuelle Beziehungen zur Zeit des zweiten Weltkriegs reicht es zwar leider nicht. Aber dennoch konnte mir diese Graphic Novel ein Gefühl für die Personen vermitteln und die Stimmung der Figuren und den jeweiligen Situationen gut einfangen und wiedergeben.

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Fazit:

Zuflucht nehmen von Zeina Abirached und Mathias Énard ist eine schöne Graphic Novel mit einem einfachen, aber sehr schönen Zeichenstil in schwarz-weiß, einem klaren Lettering und zwei zarten Geschichten, die sich um die Liebe ranken. Dabei werden unterschiedliche Zeiten, Länder und Kulturen angerissen. Für ein tiefes Eintauchen reicht es nicht, aber das zugrundeliegende Gefühl und die Stimmung werden gut vermittelt, wie ich finde. 

Biblio
Titel: Zuflucht nehmen
Autoren: Zeina Abirached und Mathias Énard
Übersetzung: Annika Wisniewski
Verlag: Avant
Seiten: 345

Das Buch wurde mir vom Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Meine Rezension basiert ausschließlich auf meinen persönlichen Leseeindrücken und wird durch die Bereitstellung des Buches nicht beeinflusst.


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Von unten – Daria Bogdanska
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Plauderecke:

Kennt ihr den Comic schon? Falls ja, wie hat er euch gefallen? Und falls nicht, konnte ich euch neugierig auf die Geschichte machen?
Welchen Comic habt ihr zuletzt gelesen? Interessiert euch das Genre generell?

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1 Kommentare

  1. Hallo Julia,
    ich habe bisher noch keine Comics gelesen und kannte daher "Zuflucht nehmen" noch nicht.
    Den Gedanken hinter dem Comic finde ich sehr gut. Mich würde besonders die gegenwärtige Geschichte in Berlin interessieren.

    Liebe Grüße
    Lisa Marie

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