Jägerin und Sammlerin – Lana Lux [Rezension]

Samstag, April 11, 2020

Essstörung Mental Health Migration Familie Roman Bestseller Kurzmeinung:

Jägerin und Sammlerin von Lana Lux ist ein wirklich starker Roman über eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung, die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit, den Druck von Erwartungen, psychische Störungen, Migration und vieles mehr. Erzählt wird die Geschichte zunächst aus Sicht von Alisa, die mit einer Essstörung zu kämpfen hat. Später kommt auch ihre Mutter Tanya zu Wort. Beide Erzählperspektiven haben mir gut gefallen. Die Figuren sind sehr nahbar und haben viele Emotionen bei mir geweckt.

CN: psychische Störungen, Essstörung, Selbstmord

Klappentext:

Alisa ist zwei Jahre alt, als sie mit ihren Eltern die Ukraine verlässt, um nach Deutschland zu ziehen. Aber das Glück lässt auch im neuen Land auf sich warten: Alisas schöne Mutter ist weiter unzufrieden, möchte mehr, als der viel ältere Vater ihr bieten kann. Die Tochter, die sich so sehr um ihre Liebe bemüht, bleibt ihr fremd. 15 Jahre später ist Alisa eine einsame junge Frau, die mit Bulimie und Binge-Eating kämpft. Mia, wie sie ihre Krankheit nennt, ist immer bei ihr und dominiert sie zunehmend ...
Lana Lux erzählt mit großer Intensität von Mutter und Tochter, die – so unterschiedlich sie sind – gefangen sind im Alptraum einer gemeinsamen Geschichte.


Meine Meinung:

Am Anfang hatte ich große Probleme, in die Geschichte hineinzufinden. Es gab sehr viele Zeitsprünge. Alles passierte sehr schnell, ohne das es richtig auserzählt wurde. Dadurch entstand bei mir das Gefühl, die Sachen sollten einfach schnell abgehandelt werden und die Figuren blieben mir zunächst fern. Ich hatte keine Zeit, sie und ihre Gefühle, ihre Entwicklung wirklich zu verstehen und ihnen dadurch nahe zu kommen. Die Dialoge wirkten auf mich hölzern und gestellt, die Figuren eher klischeehaft.

Doch das alles wurde nach ca einem Viertel besser. Das Erzähltempo verlangsamte sich, ich konnte die Figuren kennenlernen und habe etwas über ihre Vergangenheit erfahren. Das machte sie für mich nahbar und authentisch.

Da gibt es Alisa, die an einer Essstörung leidet. Nach und nach erfährt man mehr darüber, welche Dinge aus ihrer Vergangenheit sie geprägt haben. Die schwierige Beziehung zur Mutter Tanya wird gut dargestellt. Sie hat sehr hohe Ansprüche und Erwartungen an ihre Tochter. Alisa lebt mit der ständigen Angst, ihre unnahbare Mutter zu enttäuschen.
Spannend fand ich die internalisierte Glaubenssätze, die sie von Mutter übernommen hat („Schönheit verlangt ihre Opfer“, Du bist tollpatschig und dumm“, „Du bist eine Enttäuschung“ ...). Es wird deutlich, wie sehr diese Alisas Entwicklung und ihr Selbstbild beeinflusst haben.

Dann war es zunächst sehr leicht, die Mutter zu verteufeln, die doch so offensichtlich alles falsch macht. Im Verlauf erfährt man jedoch auch mehr über Tanya und ihre Vergangenheit, die Beziehung zu ihrer Mutter, ihre Kindheit in der Ukraine. Dadurch wurde mir als Leserin dann auch viel von Tanyas Handeln verständlich. Allerdings blieb sie mir etwas zu überzeichnet. Zu sehr schwarz-weiß: sie als unsympathische Figur, der man die (Mit-)Schuld an Alisas Leben geben kann.

Schließlich gelingt Alisa die Emanzipation von Mutter. Von der Freundin, die ihr nicht gut tat. Es wurde sehr gut dargestellt, dass Genesung kein grader weg ist. Das es trotz Erkenntnis und Fortschritten und guten Phasen auch wieder Rückschritte geben kann.
Für mich war es sehr spannend, den Genesungsprozess zu verfolgen. Psychische Krankheiten werden weder dämonisiert, noch romantisiert oder bagatellisiert. Gerade Essstörungen werden in der Literatur oft stilisiert dargestellt. Von den dünnen, zerbrechlichen und disziplinierten Mädchen und Frauen. Dieser Weg wird hier nicht gewählt und das finde ich gut. Lux schreibt über das Leben mit den Krankheiten und wie der Weg zur Genesung nicht gradlinig verläuft. Wie schwierig und schmerzhaft er ist. Das es Arbeit erfordert und es trotzdem Rückschritte geben kann. Das es sich trotzdem lohnt. 

Interessante fand ich auch die Reflexion über gesellschaftliche Anforderungen an vermeintlich „perfekte“ Mädchen und Frauen und den Druck, den das erzeugen kann. Und es stecken noch so viel mehr spannende Themen in diesem Roman, den es sich trotz der anfänglichen Schwächen zu lesen lohnt.



Fazit:

Jägerin und Sammlerin von Lana Lux ist ein Buch, mit dem ich so meine Startschwierigkeiten hatte. Trotz kleiner Schwächen möchte ich es euch unbedingt empfehlen, da es unglaublich gut psychische Krankheiten, besonders Essstörungen und den beschwerlichen Weg der Genesung beschreibt. Außerdem lohnt sich die Lektüre wegen der weiteren Themen, sei es Migration, Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit oder die schwierige Mutter-Tochter-Beziehung.



Essstörung Mental Health Migration Familie Roman Bestseller

Fun Fact

Die Autorin hat passend zum Buch einen Instagram Account erstellt. Im Buch hat die Protagonistin einen Blog namens "Eva and her demons" auf dem Comics zu mental health geteilt werden. Und genau diesen Account gibt es auch auf Instagram. So schafft die Autorin die Brücke zwischen Fiktion und Realität. Das finde ich eine sehr, sehr coole Idee. 


Biblio
Titel: Jägerin und Sammlerin
Autorin: Lana Lux
Verlag: Aufbau
Seiten: 304


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Stalins Kühe – Sofia Oksanen 
--> Die Bücher sind sich sehr ähnlich. "Stalins Kühe" behandelt die selben Themen: Bulimie, Migration und eine Mutter-Tochter-Beziehung. Ebenfalls sehr lesenswert.

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--> Dieser Roman dreht sich ebenfalls um den Bereich mental health, allerdings geht es hier mehr um Angst und Panik. Und Liebeskummer, sehr viel davon.

Wir von der anderen Seite – Anika Decker 
--> Auch hier erzählt die Autorin von Krankheit und einem langen und schwierigen Genesungsprozess.


Plauderecke:

Habt ihr das Buch schon gelesen? Wie hat es euch gefallen? Oder konnte ich euch neugierig auf die Geschichte machen?
Wie findet ihr die Idee mit dem Instagram Account, den es sowohl im Buch, als auch in der Realität gibt? Coole Ergänzung zum Buch, oder unnützes Gimmick? 

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