Dann schlaf auch du – Leila Slimani [Rezension]
Dienstag, Januar 23, 2018Kurzmeinung:
Das eindringliche Psychogramm einer Nanny. Der Anfang ist gleich ein Schock und so verläuft der Rest des Romans eher antiklimaktisch. Dennoch konnte ich mich dem Sog nicht entziehen und das Unbehagen wuchs mit jeder Seite mehr. Teilweise hatte die Geschichte aber auch einige Längen.Bewertung: 3 Sterne
Klappentext:
Sie wollen das perfekte Paar sein, Kinder und Beruf unter einen Hut bringen, alles irgendwie richtig machen. Und sie finden die ideale Nanny, die ihnen das alles erst möglich macht. Doch wie gut kann man einen fremden Menschen kennen? Und wie sehr kann man ihm vertrauen?Sie haben Glück gehabt, denken sich Myriam und Paul, als sie Louise einstellen - eine Nanny wie aus dem Bilderbuch, die auf ihre beiden kleinen Kinder aufpasst, in der schönen Pariser Altbauwohnung im 10. Arrondissement. Wie mit unsichtbaren Fäden hält Louise die Familie zusammen, ebenso unbemerkt wie mächtig. In wenigen Wochen schon ist sie unentbehrlich geworden. Myriam und Paul ahnen nichts von den Abgründen und von der Verletzlichkeit der Frau, der sie das Kostbarste anvertrauen, das sie besitzen. Von der tiefen Einsamkeit, in der sich die fünfzigjährige Frau zu verlieren droht. Bis eines Tages die Tragödie über die kleine Familie hereinbricht. Ebenso unaufhaltsam wie schrecklich.
Meine Meinung:
Über diesen Roman hatte ich im Vorfeld schon sehr viele Meinungen gelesen –und diese gingen sehr auseinander. Das Buch scheinte zu polarisieren und so war ich sehr gespannt, wie es mir gefallen würde.
Die Geschichte beginnt gleich mit einem großen Paukenschlag. Die große Katastrophe –die Nanny hat die beiden Kinder umgebracht. Überall Blut, Panik und die verzweifelten Schreie der Eltern.
Da ist es natürlich klar, dass der Rest des Romans antiklimaktisch verläuft. Die Handlung macht einen Sprung zurück in die Zeit, als das Ehepaar Massé auf der Suche nach einer Nanny sind und ihr Glück kaum fassen können, als sie Louise finden und sie sich als wahrer Engel erweist. Wir erfahren nun abwechselnd aus Miriams und Louises Sicht, wie sich die Dinge entwickeln. Ab und zu gibt es auch Einschübe von anderen Personen, die Louise beschreiben. Die Darstellung von Louise wird auch durch Rückblicke in ihr Leben ergänzt. So entwickelt sich nach und nach das Psychogramm der Nanny, wie ihr Leben verlaufen ist, was sie zu der Person machte, die sie heute ist und was sie schließlich zu der schrecklichen Handlung gebracht hat.
Dies geschieht in leisen Tönen. Nach dem Höhepunkt direkt am Anfang fällt die Geschichte in einen ruhigen Erzählton und erzeugt nach und nach eine subtile Spannung und erzeugt beim Leser ein stetig wachsendes Unwohlsein.
Es ist fast schon gruselig mitzuerleben, wie Louise sich nach und nach "ihr Nest inmitten der Wohnung" bereitet (S. 56) und immer wichtiger wird, wobei man doch als Leser*in weiß, was Schreckliches passieren wird.
Die Spannung baut sich in diesem Roman nicht dadurch auf, dass man nicht weiß, was passiert. Das ist schließlich schon nach dem ersten Satz klar. Die Spannung entsteht durch die Rückblicke und Einblicke, in das Leben. Dadurch, dass man mitverfolgen kann, wie es dazu kam, was Louise hat so eskalieren lassen.
Gleichzeitig gewährt uns "Dann schlaf auch du" einen Einblick in die französische Gesellschaft. In die verschiedenen Schichten. Auf der einen Seite die wohlhabenderen Familien, auf der anderen Seite ihre Nannys, die oft Einwanderer sind, manchmal illegal. Wir lesen von Müttern im Zwiespalt zwischen den Wunsch, bei ihrer Kindern zu sein und dem Bedürfnis nach beruflicher Verwirklichung und Anerkennung. Wir begegnen frustrierten Vätern, die das Familienleben nicht auslastet und gleichzeitig überfordert. Diese vielen verschiedenen Perspektiven haben mir gut gefallen.
Verwirrt war ich allerdings manchmal, wenn diese Perspektiv- oder auch Zeitenwechsel so überraschend kamen. Manchmal mitten im Absatz. Da habe ich dann erstmal ein paar Zeilen gebraucht, um mich neu in der Geschichte zu orientieren. Das hat meinen Lesefluss manchmal gestört.
Das Buch hat von mir außerdem keine bessere Bewertung bekommen, weil es mich trotz der unheilvollen Geschichte nicht wirklich erreicht hat. Die Personen blieben mir immer fremd und distanziert. Zwar hat der Roman mich zwischendurch gefesselt und mich auch in seinen Bann gezogen, aber nachdem die letzte Seite gelesen und das Buch zugeschlagen wurde, blieb nichts zurück. Kein Nachhall, keine Emotionen, die erst noch abklingen müssen.
Vielleicht ist es gut, dass die Geschichte so eine Distanz behält. Vielleicht hätte man mehr Emotionen bei einem Doppelmord an kleinen Kindern auch gar nicht ertragen.
Aber ich hatte mich auf etwas anderes eingestellt, hatte etwas anderes erwartet und deswegen ist meine Bewertung so ausgefallen.
Die Geschichte beginnt gleich mit einem großen Paukenschlag. Die große Katastrophe –die Nanny hat die beiden Kinder umgebracht. Überall Blut, Panik und die verzweifelten Schreie der Eltern.
Da ist es natürlich klar, dass der Rest des Romans antiklimaktisch verläuft. Die Handlung macht einen Sprung zurück in die Zeit, als das Ehepaar Massé auf der Suche nach einer Nanny sind und ihr Glück kaum fassen können, als sie Louise finden und sie sich als wahrer Engel erweist. Wir erfahren nun abwechselnd aus Miriams und Louises Sicht, wie sich die Dinge entwickeln. Ab und zu gibt es auch Einschübe von anderen Personen, die Louise beschreiben. Die Darstellung von Louise wird auch durch Rückblicke in ihr Leben ergänzt. So entwickelt sich nach und nach das Psychogramm der Nanny, wie ihr Leben verlaufen ist, was sie zu der Person machte, die sie heute ist und was sie schließlich zu der schrecklichen Handlung gebracht hat.
Dies geschieht in leisen Tönen. Nach dem Höhepunkt direkt am Anfang fällt die Geschichte in einen ruhigen Erzählton und erzeugt nach und nach eine subtile Spannung und erzeugt beim Leser ein stetig wachsendes Unwohlsein.
Es ist fast schon gruselig mitzuerleben, wie Louise sich nach und nach "ihr Nest inmitten der Wohnung" bereitet (S. 56) und immer wichtiger wird, wobei man doch als Leser*in weiß, was Schreckliches passieren wird.
Die Spannung baut sich in diesem Roman nicht dadurch auf, dass man nicht weiß, was passiert. Das ist schließlich schon nach dem ersten Satz klar. Die Spannung entsteht durch die Rückblicke und Einblicke, in das Leben. Dadurch, dass man mitverfolgen kann, wie es dazu kam, was Louise hat so eskalieren lassen.
Gleichzeitig gewährt uns "Dann schlaf auch du" einen Einblick in die französische Gesellschaft. In die verschiedenen Schichten. Auf der einen Seite die wohlhabenderen Familien, auf der anderen Seite ihre Nannys, die oft Einwanderer sind, manchmal illegal. Wir lesen von Müttern im Zwiespalt zwischen den Wunsch, bei ihrer Kindern zu sein und dem Bedürfnis nach beruflicher Verwirklichung und Anerkennung. Wir begegnen frustrierten Vätern, die das Familienleben nicht auslastet und gleichzeitig überfordert. Diese vielen verschiedenen Perspektiven haben mir gut gefallen.
Verwirrt war ich allerdings manchmal, wenn diese Perspektiv- oder auch Zeitenwechsel so überraschend kamen. Manchmal mitten im Absatz. Da habe ich dann erstmal ein paar Zeilen gebraucht, um mich neu in der Geschichte zu orientieren. Das hat meinen Lesefluss manchmal gestört.
Das Buch hat von mir außerdem keine bessere Bewertung bekommen, weil es mich trotz der unheilvollen Geschichte nicht wirklich erreicht hat. Die Personen blieben mir immer fremd und distanziert. Zwar hat der Roman mich zwischendurch gefesselt und mich auch in seinen Bann gezogen, aber nachdem die letzte Seite gelesen und das Buch zugeschlagen wurde, blieb nichts zurück. Kein Nachhall, keine Emotionen, die erst noch abklingen müssen.
Vielleicht ist es gut, dass die Geschichte so eine Distanz behält. Vielleicht hätte man mehr Emotionen bei einem Doppelmord an kleinen Kindern auch gar nicht ertragen.
Aber ich hatte mich auf etwas anderes eingestellt, hatte etwas anderes erwartet und deswegen ist meine Bewertung so ausgefallen.
Fazit:
Ein gutes Buch, dass trotz des ungewöhnlichen Aufbaus einen Sog auf die Leser*innen ausübt. Sehr analytisch und kühl gewährt es Einblicke in die Psyche einer Frau –der Nanny– und in das ganze Familiengefüge der Massés. Dennoch bleibt die große Begeisterung bei mir aus, weil mich die Geschichte nicht erreicht hat.
Biblio
Verlag: Luchterhand
Übersetzung: Amelie Thoma
Seiten: 224
Preis: 20,00€
Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
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13 Kommentare
Hallo liebe Julia
AntwortenLöschenmmmmhhh...will ich es jetzt lesen? Oder nicht? Die Meinungen gehen da echt weit auseinander. Werde mal in mich gehen, ist ja nicht so als hätte ich keinen Lesestoff mehr hätte.
Aber es reizt schon...mannoooo...
:-)
Liebe Grüße
Kerstin
Liebe Kerstin,
LöschenJa, das Buch polarisiert. Ich fand es wie gesagt echt gut, aber nicht absolut großartig. Die Einblicke in die Psyche der Personen und die Dynamik im Familiengefüge war sehr spannend, aber kühl und analytisch geschrieben.
Aber du kennst ja meine Devise: im Zweifelsfall selbst lesen und eigene Meinung bilden. ;)
LG, Julia
Liebe Julia,
AntwortenLöschenich mag es ja sehr, wenn die Meinungen zu einem Titel so auseinandergehen und ich finde das auch immer wieder sehr spannend, wie unterschiedlich wir Leser ein Buch empfinden.
Du hast mich auf jeden Fall sehr neugierig gemacht, denn ich traue deinem Urteil.
Liebe Grüße
Anja
Liebe Anja,
LöschenJa, das finde ich auch immer sehr spannend. Und bei diesem Buch kann ich es auch total gut verstehen, wie das zustande kommt. Auf jeden Fall eine interessante Lektüre.
Freut mich, wenn ich dich ein bisschen neugierig machen konnte. Wäre ja mal sehr gespannt auf deine Meinung, falls du es liest.
Liebe Grüße, Julia
Liebe Julia,
Löschenwenn du wüsstest, wie lang meine Wunschliste ist... ;-).
Liebe Grüße
Anja
Hallo:)
AntwortenLöschenich bin gerade über Lovelybooks auf Deinen Blog gestoßen, der mir sehr gefällt. Von dem Buch habe ich sowohl positive als auch negative Kritiken gelesen und finde es ziemlich interessant wie jeder das Buch findet :)
Für mich ist das Buch eher nichts, trotzdem eine tolle Vorstellung.
Gerne bleibe ich noch als Leserin bei Dir und bin gespannt welche Bücher Du demnächst noch vorstellst :)
Vielleicht hast Du ja auch mal Lust bei mir vorbei zu schauen?
http://www.printbalance.blogspot.de
Ich würde mich sehr darüber freuen.
Herzliche Grüße
Andrea
Liebe Andrea,
LöschenJa, bei dem Buch gehen die Meinungen tatsächlich sehr auseinander. Finde ich auch ganz spannend.
Freut mich sehr, dass dir mein Blog gefällt und du als Leserin bleibst. Hoffentlich ist mal wieder ein guter Buchtipp für dich dabei.
Bei dir schaue ich natürlich auch gern vorbei. :)
Liebe Grüße und einen guten Start in die Woche,
Julia
Es ist immer wieder spannend, wie Meinungen zu Büchern auseinander gehen :)
AntwortenLöschenMir hat das Buch an sich sehr gut gefallen, bis auf den Aspekt, dass mir am Ende zu viele Fragen offen geblieben sind.
Das fand ich sehr schade und unbefriedigend, als ich das Buch zugeklappt habe.
Liebe Grüße
Saskia
Https\\elbeundalster.wordpress.com
Liebe Saskia,
LöschenJa, das ist wirklich immer sehr spannend. Und genau deswegen liebe ich den Austausch über Bücher auch so sehr. :)
Viele Fragen hatte ich am Ende eigentlich nicht. Eher eine völlige Leere. Das ist ja das, was mir nicht so an dem Buch gefallen hat. Aber so hat eben jede_r ein unterschiedliches Empfinden.
Liebe Grüße, Julia
Hallo Julia!
AntwortenLöschenEs klingt nach einem toll aufgebauten Buch. Ich kann man mir vorstellen, dass man die ganze Zeit versucht herauszufinden, wie der Mord verhindert werden hätte können. So oft leben wir belangslos aneinander vorbei ohne unsers Mitmenschen wirklich wahr zu nehmen. Schade, dass die Charaktere distanziert blieben.
Liebe Grüße
Sabrina
#litnetzwerk
Liebe Sabrina,
LöschenJa, ich hätte es am Anfang wirklich nicht gedacht, dass das Buch eine solche Spannung aufbauen kann, weil die große Katastrophe ja eben schon gleich zu Beginn passiert. Aber diese subtile Spannung danach ist wirklich auch sehr gelungen.
Hab einen guten Start in die neue Woche.
Liebe Grüße, Julia
Dieses Buch steht schon länger auf meiner Wunschliste. Die Thematik finde ich sehr interessant und ich habe bisher noch kein vergleichbares Buch gelesen, deswegen bin ich sehr gespannt darauf.
AntwortenLöschenJa, das stimmt. So ein Buch habe ich bisher auch noch nicht gelesen. Dieser besondere Aufbau mit der Katastrophe gleich zu Anfang ist wirklich interessant. Und das Thema, naja, man muss sich halt dafür wappnen und darauf vorbereiten, denn es ist natürlich schon ein sehr hartes Thema. Aber die Geschichte ist auf jeden Fall spannend.
LöschenBin gespannt, wie dir das Buch gefallen wird.
Liebe Grüße, Julia
Ich liebe den Austausch mit meinen Leser*innen und freue mich über jeden Kommentar.
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